Auf ein Bier mit einem Regisseur
„Wie sieht‘s Mittwoch aus?“, schreibt er nach einigem Hin und Her bei WhatsApp „Wenn alles nach Plan läuft, bin ich um 8 aus Köln zurück.“ Es läuft nicht alles nach Plan.
Einen Interview-Termin mit Shawn Bu zu vereinbaren, ist nicht so einfach. Der FH-Absolvent steckt chronisch bis zum Hals in Arbeit, in seinem Kalender gibt es kaum freie Stunden – besonders im Spätsommer 2020. Shawn arbeitet als Regisseur und steht kurz vor den Dreharbeiten für eine Netflix-Serie – sein bisher größtes Projekt.
Wir treffen uns schließlich an einem Donnerstagabend auf ein Bier. Zwischendurch muss er eine Instagram-Story veröffentlichen – Vorgabe eines Werbepartners – und immer wieder das Smartphone auf neue Nachrichten checken. Als das Interview offiziell beginnt, steckt er das Handy aber in seine Hosentasche, rückt seinen Stuhl näher an den Tisch und schaut mich erwartungsvoll an.
Hast du eigentlich manchmal richtig Feierabend?
Shawn (lacht): So richtig viel hab‘ ich davon im Moment nicht. Aber es ist das, was ich machen möchte: Filme und Serien drehen. Da ist der Unterschied zwischen Arbeits- und Freizeit gefühlt oft gar nicht so groß.
Was ist dein bisher größter Erfolg? Und wie gehst du mit Rückschlägen um?
Shawn: Bis zum Serien-Projekt war mein größter Erfolg meine Abschlussarbeit, ein Star-Wars-Fanfilm, der auch bei Star-Wars-Fans unglaublich gut ankam. Er war gleichzeitig meine größte Herausforderung – während der Umsetzung und auch später.
Wieso auch später?
Shawn: Danach habe ich viele aufregende Projekte realisiert, mich aber immer wieder in dem Dilemma befunden: Was hat mir dieser erste große Erfolg gebracht? Kann ich ihn wiederholen oder sogar übertreffen? Habe ich mir damit vielleicht selbst ein Karrierehindernis in den Weg gestellt? Aber durch viel Arbeit und viele verrückte Ereignisse in diesem Jahr hat es sich ergeben, dass ich jetzt mit meinem Bruder, Julien, eine Netflix-Serie realisieren kann! Hier arbeite ich als Regisseur und bin am Drehbuch beteiligt. Jetzt merke ich: Alle Erfolge und Rückschläge in der Vergangenheit gehören dazu. Sie haben dazu beigetragen, dass ich beruflich einen Schritt weiterkomme.
Wie viel hat mir dieser erste große Erfolg gebracht? Kann ich ihn reproduzieren oder sogar noch übertreffen?
Gibt es ein Wunschprojekt, das du gerne realisieren würdest?
Shawn: Es gibt sogar drei Wunschprojekte, die mich schon länger begleiten. Sie haben alle mit der Neugier vor dem Unbekannten zu tun.
Ich bin ein großer Fan des Horrorbuch-Autors H.P. Lovecraft. Seine Protagonisten sind häufig getrieben davon, Dinge zu erforschen, die der Menschheit noch fremd sind. Ich mag die Atmosphäre, die er erzeugt, denn er spielt mit unserer Angst vor dem Unbekannten, und häufig offenbart sich erst im Laufe der Geschichte das Unheimliche oder Übernatürliche. Deshalb schwebt mir auch eher eine Adaption als eine eins zu eins Verfilmung seiner Geschichten vor.
Mein zweites Wunschprojekt ist eine Serie über die Kolonialisierung eines fremden Planeten. Mir gefällt dabei der Pioniergeist. Ich würde gerne möglichst realistisch zeigen: Wissenschaftler betreten hier eine Welt, in der vor ihnen noch kein Mensch war. Welchen Herausforderungen haben sie sich zu stellen an einem für Menschen eigentlich lebensfeindlichen Ort?
Und dann habe ich noch einen riesigen Schatz an Geschichten: Meinen Vater, der mit 16 Jahren von Zuhause abgehauen und jahrelang um die Welt gereist ist – ohne Geld zu besitzen. Er hat wirklich verrückte Dinge erlebt und unter anderem meine Mutter in Singapur kennengelernt. Diese Erlebnisse würde ich gerne als Serie verfilmen.
Vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast!
Über die Netflix-Serie…
.. darf Shawn Bu noch gar nicht viel erzählen. Was wir verraten können: Im Spätherbst 2020 diente die FH Aachen als Drehlocation für eine Folge. Protagonist ist Shawns Bruder, YouTuber Julien Bam. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma LoadStudios, deren Gründer und Geschäftsführer Dr. Georg Ramme ist – ebenfalls ein FH-Absolvent. Dr. Ramme hat am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften studiert und war unter anderem für das Fernsehproduktionsunternehmen Endemol Shine tätig. Die Serie erscheint voraussichtlich im Sommer oder Herbst 2021.
Wer vorher schon mal eine "Arbeitsprobe" von Shawn Bu sehen möchte, kann sich hier seinen Start-Wars-Fanfilm "Darth Maul: Apprentice" anschauen, den er 2016 im Rahmen seines Bachelorabschlusses am Fachbereich Gestaltung veröffentlicht hat.
Ein neues Eventformat der FH Aachen wurde geboren
Übrigens wurde das FH-Eventformat „FH presents“ das erste Mal unter dem Titel „Behind the scenes: A Star Wars Fanfilm“ von Roxana Steckling aus der Stabsstelle für Presse-, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing umgesetzt. Moderiert hat die Veranstaltung Shawns betreuender Professor Matthias Knezy-Bohm. Auf dem Programm standen ein Interview mit Shawn und seiner Crew, spannende Einblicke hinter die Kulissen und in die Postproduktion sowie jede Menge Popcorn. Außerdem gab's einen Videogruß von FH-Absolvent Vi-Dan Tran, der bei "Darth Maul: Apprentice" die Actionregie übernommen hat und zur Zeit des Events als Mitglied des Stuntteams von Jackie Chan unterwegs war. Am Ende waren alle Gäste zum Grillen und Quatschen eingeladen. Wir haben in der Fotokiste gegraben...
Bildreferenzen:
Porträt Shawn mit Kamera: privat
Studioporträts: FH Aachen I Arnd Gottschalk
Foto mit Mark Hamill: Khoi Chau
Fotos Event: FH Aachen | Manja Schiefer & Arnd Gottschalk